Das Designer-Interview: Etro
Ein 50 Jahre altes Label ist in aller Munde.Das Erfolgsgeheimnis? Unwiderstehliche Designs zum Wohlfühlen, sagt Kreativdirektorin VERONICA ETRO. Von EMMA SELLS
Ist eine unerschütterliche, vertrauenswürdige Marke der Schlüssel zum Erfolg in einer sich konstant verändernden Branche? In diesem Fall ist Etro anderen weit voraus. Seit der Gründung des Textil- und späteren Modeunternehmens durch Gerolamo, Gimmo’ Etro im Jahr 1968 hat sich das Label immer präziser definiert. Das Ergebnis sind kunstvoll kreierte Designs, ein Mix aus Paisley, Prints, Farben und eklektischem Charme. Und alles ohne sich vom Rest der Branche verunsichern zu lassen.
In den letzten drei Saisons war ein steter Wandel vom künstlerischen Klassiker zum mondänen Must-have-Label zu erkennen. Auf betörende Kleider folgten charakterfeste Jacken und schließlich Schuhe, die auf unzähligen Wunschlisten landeten. Wie also schafft es ein Label, das 50 Jahre auf dem Buckel hat, Saison für Saison Mode zu entwerfen, die geliebt und vergöttert wird?
„Ich finde es riskant, immer den neuesten Trends zu folgen, weil man dann in der nächsten Saison wieder aussortiert wird“, sagt Veronica Etro, Gimmos Tochter und Kreativdirektorin des Labels für Womenswear. „Ich möchte zeitlose Kollektionen entwerfen, die einen festen Platz im Kleiderschrank haben.“
Es ist diese Bodenständigkeit, die Etro für Frauen so attraktiv macht. Veronica hat sie selbst geprägt, so lässt sie sich beim Designen von ihrem eigenen Alltag inspirieren. Sieht man sie im Urlaub durchaus auch in Printkleidern und Palazzo-Hosen, trägt die Mutter zweier Söhne bei der Arbeit durchweg schwarze Hosen, Printblusen und Flats, („Ich habe weder Lust und Zeit, um Heels zu tragen, noch bin ich hart genug im Nehmen“) das reflektieren auch die Kollektionen. Hinzu kommt, dass Etro-Frauen selbst in luftige, florale Stoffe gehüllt, nicht mit sich spaßen lassen. „Man braucht einen starken Charakter, wenn man mit Prints und Farben Statements setzt“, weiß die Designerin. „Etro-Frauen sind unbeschwert, optimistisch und fröhlich.“
Die Beschreibung trifft genauso gut auf die 42-jährige Designerin zu. Sie freut sich immer noch, wenn sie Frauen in Etro-Designs sieht, mehr noch, wenn auch der eigene Stil zu erkennen ist. „Ich schätze es, wenn Leute ihre Identität zum Ausdruck bringen und sich individuell kleiden.“
Etro ist eine Rarität, ein ernstzunehmender Player in der Modewelt und seit jeher in Familienhand. Veronica stieg 1998 nach dem Studium am Central Saint Martins in London ein. Ihre Brüder Jacopo, Kean und Ippolito sind für Accessoires, Menswear und das Geschäftliche zuständig. Auch ihr 75-jähriger Vater hat noch einiges zu sagen. Die Büros in Mailand, drei kunstbestückte Gebäude, in denen sich das Studio, das Archiv und die Showrooms befinden, dienen bereits seit den Anfängen als Firmensitz.
„Es ist riskant, Trends zu folgen; in der nächsten Saison wird man aussortiert. Meine Mode ist zeitlos
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„Etro-Frauen haben einen starken Charakter. Sie sind unbeschwert, fröhlich, optimistisch!
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„Ich hatte im Büro immer das Gefühl, zu Hause zu sein“, verrät die Designerin. „Als Kind war das Office mein Spielplatz. Aus Wasser, Klebstoff, Bürsten, Wasserfarben und Stoffproben habe ich damals Kollagen gebastelt. Mein Vater hat uns immer gefragt, welche Prints uns am besten gefallen. Wir hatten immer sehr viel Spaß!“
Aber auch Herausforderungen gehören dazu. Es ist nicht leicht, sich Saison für Saison neu zu erfinden. Der Balanceakt wird dadurch erschwert, dass Tradition und Handwerkskunst bei Etro einen großen Stellenwert haben. Die Paisley-Muster zum Beispiel werden nach wie vor von einem französischen Künstler handgemalt, statt digital erstellt. Ein Blick auf die vergangenen Shows jedoch verrät, dass sich das Label um Relevanz bemüht: die gefragtesten Models der Saison (Ruth Bell, Heather Kemesky, Lineisy Montero), cool gestylt von Anastasia Barbieri. Zwischen verträumten Looks kommen immer wieder moderne Statement-Pieces zum Vorschein; die Bomberjacke zum Wenden und die bestickten Ballerinas zählen zu den Highlights der F/S16.
„Ich achte inzwischen mehr darauf, was die Leute tragen und tragen wollen“, so die Designerin. „Die Zeiten, in denen man nur Models für den Laufsteg gestylt hat, sind vorbei. Ich möchte Mode zum Wohlfühlen entwerfen.“
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