Margot Robbie: Die neue Queen von Hollywood
Die Oscar-nominierte Schauspielerin – die als Elisabeth I. im neuen Film Maria Stuart, Königin von Schottland zu sehen ist und derzeit mit Quentin Tarantino filmt – strahlt in Rollen, die unverfälscht und anspruchsvoll sind. VASSI CHAMBERLAIN trifft die bodenständigste und entschlossenste Schauspielerin der Stadt. Fotos: YELENA YEMCHUK. Styling: CAMILLE BIDAULT-WADDINGTON
Von dem Moment an, in dem Margot Robbie in South La Brea, Los Angeles das Restaurant République betritt – und wie eine blonde Königin durch die Menge am frühen Morgen rast – ist klar, wer hier das Sagen hat. Vielleicht ist es ihr Alter, denn mit 28 gehört sie der Generation „Millenials“ an. Aber es ist noch mehr. Die Nachrichten, die ich von ihrem Team erhalte – wie ich aussehe, was ich anhabe, wo ich sitze und ob es okay ist, ein paar Minuten länger als geplant zu warten – sind ungewöhnlich. Ebenso wie ihre Entschuldigung für die Verspätung, noch bevor sie sich hinsetzt, um sich dann erneut zu entschuldigen, weil sie sich schrecklich fühlt, dass sie mir keine Fragen stellen wird wie in einem normalen Gespräch zwischen zwei völlig normalen Menschen. Dadurch wird die Aufmerksamkeit auf den Interviewer und nicht auf Robbie, den Star, gelegt wird. In Hollywood passiert das so gut wie nie.
Robbie probiert von meinem Frühstück. Es ist okay, sage ich ihr. Ich hatte ihr zu Beginn angeboten, ihres vom Tresen abzuholen. Wir sitzen, wie von ihrem Team gewünscht, ganz hinten in einem sehr großen Raum, der Charlie Chaplin früher als Studio diente und wo man am Tisch nicht bedient wird. Aber weil sie ein „Millenial“ ist, lehnt sie dankend ab. Und weil ich kein „Millenial“ bin, schiebe ich ihr meinen Teller mit Ricotta French Toast und flambierten Pfirsichen, Granatapfel und gerösteten Nüssen sofort zu. Iss meins, sage ich. Ich mag es, mein Frühstück zu teilen. Nicht viele Schauspielerinnen würden darauf eingehen.
Robbie hat etwas sehr Charmantes und Liebenswertes an sich – die Art und Weise, wie sie sich ernsthafter verhält, wenn ich mit meinen Fragen beginne; ihre gerade Haltung und wie sie mir erwartungsvoll in die Augen schaut. „Sie sind hier, um Ihren Job zu machen“, sagt sie, „und das respektiere ich.“ Sie ist von Natur aus ein Arbeitstier. Robbie wuchs an der australischen Goldküste auf. Mit ihren Freunden verkaufte sie als junges Mädchen, wie viele andere Kinder weltweit, Limonade auf der Straße. Im Gegensatz zu den meisten Kindern war sie sehr strikt mit den Preisen. Als ich sie frage, wie ihre Mutter sie beschreiben würde, sagt sie „entschlossen“. Ich würde noch hinzufügen, dass sie wahnsinnig hübsch ist. Aber das allein sagt nichts darüber aus, wie viel Klasse sie eigentlich hat. Dabei geht es um nichts Bestimmtes: Sie trägt eine locker geschnittene, beige Latzhose, eine weiße Weste und gemusterte Slippers aus Damast sowie zwei dünne Goldketten um ihren Hals und gewundene Creolen – sie hat einfach das gewisse Undefinierbare; etwas, das man nicht kaufen kann.
Nur wenige werden widersprechen, dass sie eine außergewöhnliche Schauspielerin ist, die immer öfter mit der Wahl ihrer Rollen überrascht. Für ihre komische und erfreulich satirische Darstellung der US-Eiskunstläuferin Tonya Harding im Film Ich, Tonya aus dem Jahr 2017 (den sie ebenfalls produzierte) erhielt sie Nominierungen für einen Oscar, Golden Globe und Bafta als beste Schauspielerin. In ihrem neuen Film Maria Stuart, Königin von Schottland überrascht sie erneut. Darin spielt sie eine zunächst nachdenkliche, aber zunehmend abgebrühte und kompromisslose Elisabeth I., die weniger sanft und abtrünniger daherkommt als im Roman von Saoirse Ronan. Wie in Ich, Tonya ist ihre Figur der schottischen Königin so hässlich, dass sie Zuschauer erzürnen wird, die weiterhin an den Szenen aus The Wolf of Wall Street festhalten. Wir erinnern uns: Darin saß sie mit gespreizten Beinen auf dem Boden einer Kindertagesstätte und verspottete Leonardo DiCaprio mit den Worten: „Mami ist es einfach so leid, immer wieder Höschen zu tragen.“
Wandlungsfähige Rollen sind kein neues Terrain für ernsthafte Schauspielerinnen. Oft werden sie dazu genutzt, um von der Schönheit abzulenken und das schauspielerische Talent hervorzuheben. Kritiker sind davon begeistert, doch die Kinokassen erfreut dies eher weniger und es führt dazu, dass die individuelle Anziehungskraft eines Stars häufig verloren geht. Nicht so bei Robbie, die von Natur aus versteht, dass es in Ordnung ist, sich in eine andere Person zu verwandeln, aber dass man dafür einen Film wählen sollte, den jeder lieben wird. Und Maria Stuart – Königin der Schotten ist so ein Beispiel. Der Film handelt vor der Nacherzählung einer Geschichte, in der beide Hauptfiguren Frauen sind. Die Darbietung ist sowohl modern und stark, als auch äußerst ansprechend. Vermutlich hat sie sich deshalb dazu entschieden, Elisabeth I. zu spielen, obwohl der Gedanke an die Rolle sie zunächst überraschend nervös machte. „Sie [Elisabeth I.] ist eine unglaubliche Ikone und historische Figur. Sie wurde bereits von einigen der weltbesten Schauspielerinnen, darunter Cate Blanchett und [Lady] Judi Dench, verkörpert. Wer bin ich schon, dass ich diesem Vermächtnis gerecht werden könnte? Deshalb dachte ich anfangs: ‚Keine Chance, auf keinen Fall!‘ Ich dachte nicht, dass ich es schaffen würde.“ Sie hält inne und lacht. „Der Film ist noch nicht veröffentlicht worden, also ist noch nichts entschieden…“
„Als ich zum ersten Mal mit meinem Team in Amerika zusammensaß und sie mich fragten, was ich mir von meiner Karriere erwarte, sagte ich: ‚Mein Traum? Tarantino!‘
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Besonders attraktiv war die Zusammenarbeit mit Saoirse Ronan. Beide hatten sich bei einer Dinner-Party im Haus von Richard Curtis getroffen und sich sofort verstanden. „Ich erinnere mich, dass ich sie total cool fand und intelligent, bodenständig und lustig. Ich war vom ersten Moment an beeindruckt.“ Erst zum Ende des Films treffen beide aufeinander, da sie von verschiedenen Höfen aus agierten. Mehr gemeinsame Szenen hat sie mit Elisabeths Möchtegern-Liebhaber Robert Dudley, gespielt von Joe Alwyn. Ich erzähle ihr, dass ich erst später gemerkt habe, dass er mit Taylor Swift zusammen ist. „Ich weiß“, sagt sie. „Ich wusste auch nicht, dass die beiden ein Paar sind.“ Wir sind uns einig, dass er sehr gut aussehend ist.
Momentan ist sie mit den Dreharbeiten für Quentin Tarantinos heiß ersehnten Film Once Upon a Time in Hollywood – ab 8. August 2019 in den deutschen Kinos – beschäftigt. Darin spielt sie Sharon Tate (die Frau von Roman Polanski, die von der Manson-Familie ermordet wurde) an der Seite von Leonardo DiCaprio und Brad Pitt. Nicht schlecht! „Ja, aber wir sind kaum zusammen am Set“, sagt sie und verrät damit weniger, als ich mir erhofft hatte. Von Tarantino kann sie nicht genug erzählen. „Das ist ein Lebensziel“, sagt sie. „Als ich zum ersten Mal mit meinem Team in Amerika zusammensaß und sie mich fragten, was ich mir von meiner Karriere erwarte, sagte ich: ‚Mein Traum? Tarantino!‘ Alle wollen wissen: ‚Wie ist es? Wie ist er am Filmset?‘ Ich arbeite fast zehn Jahre lang beim Film und denke weiterhin: ‚Es ist SO cool! Sieh dir das an! Das ist fantastisch! Oh, mein Gott!‘ Ich bin wie ein Kind im Süßwarenladen und dann ist da Tarantino, der die gleiche, wenn nicht sogar mehr, Begeisterung und Aufregung fühlt. Es ist sein Filmset und er ist überhaupt nicht abgestumpft – er ist einfach so glücklich, dort zu sein.“
Eines der ersten Dinge, die sie den Regisseur von Pulp Fiction und Kill Bill fragte, war, ob sie falsche Brüste tragen sollte. „Ich bin sehr flachbrüstig“, sagt sie und zeigt auf ihr Dekolletee, „und Sharon Tate nicht. Also fragte ich [Tarantino]: ‚Werden falsche Brüste benötigt?‘ und er sagte: ‚Nein, das ändert nichts an der Filmfigur.‘“ Hat sie Polanski kontaktiert, um über seine Frau zu sprechen? „Nein, das habe ich nicht, aber er hat ein Buch geschrieben und es ist so detailliert, dass ich es nicht musste.“
Man kann mit Sicherheit sagen, dass ihr Aufstieg in Hollywood nach ihrer ersten Saison 2011 in Los Angeles schnell war. Die damals 20-Jährige hatte drei Jahre lang für die australische Seifenoper Neighbours gearbeitet und hoffte auf eine Rolle beim damaligen TV-Comeback von Drei Engel für Charlie. Stattdessen wurde sie unverhofft für eine Staffel bei Pan Am zusammen mit Christina Ricci engagiert. Es folgten kleine Rollen in Richard Curtis Film Alles eine Frage der Zeit und der Adaption von Irène Némirovskys Buch Suite Française. Aber es war Martin Scorseses Film The Wolf of Wall Street, der alles veränderte. Seitdem gingen ihr die Rollenangebote nicht aus: Legend of Tarzan, Suicide Squad, Goodbye Christopher Robin, ein Gastauftritt als sie selbst in The Big Short und eine höchst erfolgreiche Performance als Moderatorin bei der Saisonpremiere von Saturday Night Live neben The Weeknd.
Man kann sich nur ausmalen, was Hollywood von der jungen Australierin dachte, als sie mit ihrem Geschäftssinn daherkam. Sie sagt, dass sie ihrem australischen Agenten für ihre gute Vorbereitung zu danken hat. Was ebenfalls auffällt, ist nicht nur ihr Ehrgeiz oder der vorprogrammierte Grund für ihren Erfolg, sondern auch ein natürliches Bewusstsein über sich selbst, was sie will und wie sie es angehen wird. Es ist etwas, woran sie ihr Team bei den halbjährlichen Treffen erinnert. Dabei dreht es sich immer um ihr Mantra: Qualität, Vielfalt und Langlebigkeit. „Wir fragen: ‚Sind wir noch auf dem richtigen Weg oder driften wir ein bisschen ab?‘, und manchmal passiert das, weshalb es gut ist, diese Unterhaltungen zu führen. Wir ändern dann den Kurs und sprechen darüber, um sagen zu können: ‚Okay, cool. Lasst uns jetzt wieder auf den richtigen Weg kommen.‘“
Es wirkt verlockend, sie auch als eine ehrgeizige Narzisstin hinzustellen. Solange ich aber nicht königlich porträtiert wurde, würde ich sagen, dass das überhaupt nicht Robbie entspricht. Sie ist eine gute Schauspielerin, aber sie ist auch gut erzogen und bodenständig. Sie möchte eine anständige Karriere haben und ist eine Person, für die Geld nicht das A und O ist. Sie kann auch gut über sich selbst lachen. „Tue so, als ob es dir gelingt, weil fast jeder vortäuscht zu wissen, was er tut. Dabei weiß es kaum jemand wirklich.“ Sie hält inne und lächelt. „Es ist Montagmorgen und ich gebe kluge Ratschläge.“
„Tue so, als ob es dir gelingt, weil fast jeder vortäuscht zu wissen, was er tut. Dabei weiß es kaum jemand wirklich
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Dass sie sich in ihrer eigenen Haut wohlfühlt, spricht für eine sehr glückliche Kindheit mit ihren drei Geschwistern an der Goldküste. Ihre Eltern ließen sich in jungen Jahren scheiden und die Familie lebte mit ihrer Mutter, eine Physiotherapeutin, am Meer. Sie schimpft gegen diejenigen, die sie als ein Mädchen aus dem Hinterland darstellen, das aus dem Nichts kam. „Ich hatte die beste Erziehung“, sagt sie. „Ich weiß, dass ich mit sehr wenig Geld auskommen kann. Ich weiß, wie man das macht. Ich musste es in der Vergangenheit tun und habe keine Angst davor.“
Es scheint, als sei ihre Erziehung auch für ihr gutes Verhältnis zu Männern und Frauen verantwortlich. Ihr Liebesleben war schon immer eine Enttäuschung für die Boulevardpresse, weil sie nie mit wilden Eskapaden Schlagzeilen schlug. Ihre Entscheidung, den Briten Tom Ackerley mit 26 Jahren zu heiraten schien überraschend für eine aufstrebende Schauspielerin. „Ich dachte immer: ‚Nee, verheiratet zu sein, klingt wirklich langweilig.‘ Ich dachte, ich probiere es mal in meinen späten Dreißigern und schaue, wie es läuft.“ Aber dann traf sie Ackerley am Set von Suite Française. Er war der dritte Assistenz-Regisseur und sie war die dritte Wahl nach Michelle Williams und Kristin Scott-Thomas. Anstatt mit den Stars zu plaudern, verbrachte sie ihre Zeit mit der Crew am Set. Sie verstanden sich alle so gut, dass Robbie eingeladen wurde, in die WG im unscheinbaren Londoner Stadtteil Clapham einzuziehen. Nach einem Jahr gestanden sie und Ackerley ihren Mitbewohnern, dass sie sich heimlich für Dates getroffen haben. Dies brachte die entspannte, aber empfindliche Struktur im Haus durcheinander. Sie scherzt, dass beinahe ein interner Krieg ausgebrochen wäre. Anstatt auszuziehen, blieb das Paar jedoch dort wohnen. Erst seit dem Umzug nach Los Angeles vor zwei Jahren leben sie endlich allein.
Zusammen haben sie ihre eigene Produktionsfirma LuckyChap Entertainment mit zwei der ehemaligen Londoner Mitbewohner gegründet. Ich, Tonya und Terminal wurden beide von Ackerley produziert. „Ich befürworte die Zusammenarbeit mit dem eigenen Partner“, sagt sie. „Verheiratet zu sein, macht so viel Spaß. Es hat das Leben so viel schöner gemacht. Ich habe die Verantwortung, die Frau von jemandem zu sein und möchte mich stets bessern.“ Sie haben eine dreiwöchige Regel, wenn sie voneinander getrennt sind. „Selbst, wenn wir uns beide dazu für eine Nacht in einem anderen Land in der Mitte treffen müssen, halten wir uns daran und fliegen am nächsten Tag wieder zurück zur Arbeit. Wir sind den ganzen Tag über in Kontakt. Wir telefonieren jeden Tag.“
Wenn das Thema Babys aufkommt, ist ihre Antwort schnell und unmissverständlich. „Nein! Definitiv nicht“, sagt sie und lacht. Was ist mit Ackerley, denkt er dasselbe? „Vor drei Tagen kam mein Mann auf dem Rückweg vom Flughafen an einem Hundeheim vorbei und jetzt haben wir einen Pitbull-Welpen“, sagt sie. „Wir haben bereits einen Zweijährigen, der sich immer noch wie ein Welpe verhält. Ich liebe ihn, aber es ist viel Arbeit und in den letzten drei Tagen habe ich nicht geschlafen. Ich sagte zu ihm: ‚Wir kümmern uns eine Woche um sie und mein Mann erwiderte: ‚Nein, wir behalten sie‘, bevor ich wieder meinte: ‚Wir können es absolut nicht und du festigst gerade den Gedanken in meinem Kopf, dass wir keine Kinder haben können. Ich kann nicht mal mit zwei Welpen umgehen, geschweige denn mit Kindern.‘“ Ich warne sie, vorsichtig zu sein. Meistens beginnt es mit einem Haustier. Sie hält inne und schaut an die Decke. „Wenn ich in meine Zukunft in 30 Jahren blicke, will ich ein großes Weihnachtsessen mit vielen Kindern dort sehen“, sagt sie. „Aber definitiv nicht jetzt. Das ist zu 100 Prozent sicher.“
Während unserer Unterhaltung erwähnt sie mehrmals ihre Freundinnen: Australierinnen, mit denen sie seit ihrem fünften Lebensjahr in der Schule war, ihre Londoner Clapham-Clique, zu der auch Männer gehören („Wir treffen uns sofort nachdem wir gelandet sind im Pub, jeder macht Feierabend, sobald es geht und wir fahren sogar zusammen in den Urlaub.“), und eine Gruppe aus New York. Es spricht für ihre emotionale Stabilität. „Ich kann dir mein Handy zeigen“, sagt sie und nimmt es in die Hand. „Ich bekomme Herzklopfen, wenn ich sehe, dass ich gerade über 80 ungelesene SMS, 500 Nachrichten auf WhatsApp und 300 E-Mails habe.“ Zum engeren Freundeskreis gehören auch die britischen Schwestern Poppy und Cara Delevingne, ebenfalls beide Schauspielerinnen. Cara und sie gingen gemeinsam zum Glastonbury-Festival, nachdem sie sich am Set von Suicide Squad kennenlernten. „Ich bin die langweiligste Person auf Erden im Vergleich zu den beiden“, sagt sie. „Cara würde sagen: ‚Ich gehe heute Abend zu dieser Schlammcatchen-Veranstaltung.‘ Ich hingegen sage: ‚Ich habe um 7 Uhr morgens ein Meeting, ich kann nicht zum Schlammcatchen gehen – es ist Mittwochabend!‘ Wenn ich über sie rede, merke ich, wie sehr ich sie vermisse. Ich werde Cara gleich nach dem Interview anrufen.“
„Mir gefällt nicht, wie viel zynischer mich der Ruhm gemacht hat. Jedes Mal, wenn jemand nett ist, fragt eine Stimme in meinem Kopf: ‚Sind sie nett zu mir, weil sie mich mögen, oder weil sie etwas von mir wollen?‘
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Ruhm gehört nun natürlich zu ihrem Leben dazu. Ich vermute, dass sie sich absichtlich dazu entschieden hat, dass wir uns in einem unauffälligen Restaurant treffen, anstatt an einem aufregenderen Ort. „Es ist so seltsam. Man kann es nicht anders sagen.“ Sie bemerkt, es sei gut und schlecht, sich ständig anpassen zu müssen, da der Bekanntheitsgrad sich stetig verändert. „Wie relevant man in der Gesellschaft ist, ändert sich ständig. Manchmal ist man in aller Munde, manchmal ist man es nicht. Es gibt Momente, in denen man die Aufregung spürt, und dann beruhigt sich alles wieder und man kann Luft holen, bis plötzlich etwas Unerwartetes passiert, das einen wieder aus der Bahn wirft. Ich schätze, man ist immer irgendwie auf Zack und versucht, den Kopf über Wasser zu halten.“ Sie sagt, in Australien fühle sie ein gewisses Verantwortungsbewusstsein, Fan-Selfies zu machen und mit den Leuten zu reden. „Ich weiß, was das [für sie] bedeutet: ‚Oh, ich habe eine Person aus meiner Heimat gesehen, die es weit gebracht hat. Vielleicht kann ich es auch schaffen.‘ Und das ist etwas Besonderes.“
Aber was ist, wenn sie keine Kontrolle über die Situation hat? Was ist, wenn sie sich nicht verpflichtet fühlt, für jedes Foto anzuhalten, und wie wirkt sich das auf sie aus? „Ich hasse es, wenn Leute Fotos machen, ohne zu fragen. Es ist ein sehr unschönes Gefühl, aber es passiert dauernd. Überall auf der Welt hat jeder den ganzen Tag ein Smartphone mit Kamera dabei.“ Vielleicht hat sie deshalb das Gefühl, heute immer kamerabereit sein zu müssen. Sie ist anderer Meinung. „Ich denke, dass es für einige Leute ein Teil ihrer Marke ist, einen bestimmten Look zu haben. Ich war schon in Hotels, in denen ich am Morgen nach einer Preisverleihung Leute getroffen habe, von denen ich weiß, dass sie ausgegangen sind. Trotzdem sind sie präsent mit perfektem Make-up, der perfekten Frisur und einem perfekten Outfit. Das gehört zur Marke dazu.“ Und was ist ihre? „Ich möchte, dass die Leute mich als Schauspielerin sehen. Ich bin kein Model.“
Vielleicht nicht, aber sie erscheint regelmäßig auf Zeitschriftencovern und gilt als eine der bestgekleideten Schauspielerinnen der Welt. Sie ist das Gesicht von Calvin Kleins Parfüm Deep Euphoria und Chanel machte sie Anfang des Jahres zur Markenbotschafterin. Ihr heutiger Look – ihr kinnlanger Bob ist gewellt, ihr Make-up dezent – stieße bei Streetstyle-Fotografen auf Begeisterung. Interessiert sie sich für Mode? „Nicht besonders“, sagt sie. „Ich schätze es als Kunstform, aber es ist nicht meine Leidenschaft.“ Ihre Stylistin Kate Young, die auch Sienna Miller und Natalie Portman betreut, hilft ihr bei Auftritten auf dem roten Teppich. Ähnlich wie bei der Auswahl ihrer Rollen, behält sie dabei die Kontrolle. „Sie kann ihr Ding machen und ich lasse mich dann vom Gesamtbild leiten. Ich sage zu ihr: ‚Ich will diese Ästhetik und möchte diesen Eindruck vermitteln. Zeig du mir, wie wir das erreichen können.‘“
Es muss schwierig sein, einzuschätzen, was andere sowohl beruflich als auch privat über sie denken, wenn man von Leuten umgeben ist, die dafür bezahlt werden, ja zu sagen. „Man muss über sich selbst reflektieren“, sagt sie und nickt. „Aber ich weiß nicht, ob ich mich in ein totales Monster verwandeln würde.“ Hat sich ihr Charakter mit dem Ruhm verändert? Ist sie verwöhnter, wird sie schneller wütend, hat sie Wutausbrüche? „Mir gefällt nicht, wie viel zynischer mich der Ruhm gemacht hat“, sagt sie. „Und es ärgert mich, weil ich immer unglaublich optimistisch war. Immer. Aber mit jedem Jahr wird das weniger.“ Worüber ist sie zynisch? „Die Absichten anderer Leute“, antwortet sie. „Das ist traurig, aber man kann es nicht ignorieren. Jedes Mal, wenn jemand nett ist, fragt eine Stimme in meinem Kopf: ‚Sind sie nett zu mir, weil sie mich mögen, oder weil sie etwas von mir wollen?‘ Es spielt keine Rolle, ob es sich dabei um ein Familienmitglied oder eine fremde Person handelt. Die Stimme ist allgegenwärtig und ich hasse es so sehr, dass ich die guten Absichten anderer in Frage stelle. Aber ich würde lieber immer wieder ins Bein gebissen werden und trotzdem eine positive Weltsicht haben, als zynisch und negativ zu sein, ohne verarscht zu werden. Ich würde mich eher 10.000 Mal täuschen lassen und trotzdem an das Gute in Leuten glauben. Vor ein paar Jahren hörte ich einfach auf und sagte zu mir selbst: ‚Ja, du wirst verarscht werden, deine Gefühle werden verletzt und du wirst ausgenutzt werden. Aber um dein Glück und deiner Gesundheit willen, denke nur an das Gute im Menschen.“ Sie zeigt eine außergewöhnliche Reife und Intelligenz für diese Betrachtung des Lebens. Nicht zum ersten Mal fällt mir in unserem Gespräch auf, wie sehr sie sich von vielen anderen in der Branche unterscheidet.
Was die professionelle Kritik betrifft, sagt sie, dass sie Online-Rezensionen liest, die Boulevardpresse aber meidet. Was denkt sie, was die Branche von ihrer Arbeit hält? „Das frage ich mich oft“, sagt sie. Stell dir vor, du bist mit deinen Freunden zusammen und fragst: ‚Okay, welchen Film sollen wir uns ansehen?‘ Und dann nennst du einen Titel und alle sagen: ‚Nein, ich kann die auf dem Bildschirm nicht ausstehen, die ist furchtbar!‘ Ich frage mich, wie viele Leute da draußen denken, dass sie sich einen Film mit mir nicht anschauen können, weil sie mich schrecklich finden. Also ja, ich frage mich, wie ich Leute nerve, wenn ich ein Interview gebe. Vielleicht sagen sie auch: ‚Oh Gott, sie ist so dies oder das.‘“
„Bis zur #MeToo-Bewegung wusste ich nicht, was sexuelle Belästigung umfasste. Ich bin in meinen späten Zwanzigern, ich hatte eine gute Ausbildung, ich habe mein eigenes Unternehmen – trotzdem wusste ich es nicht. Das ist verrückt. Ich wusste nicht, dass man sagen kann ‚Ich wurde sexuell belästigt‘, ohne dass man angefasst wurde
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Natürlich gibt es in Hollywood gerade nur ein Thema. Wurde sie jemals sexuell belästigt? „Ja!“, sagt sie direkt. „Aber nicht in Hollywood. Es ist schwierig Frauen zu finden, die noch nicht in irgendeiner Form sexuell belästigt wurden. Also ja, viele Male. Und auf unterschiedliche Weise.“ Bevor Sie mit ihren Freunden auf Backpacking-Reisen ging, schickte ihre Mutter ihr Artikel über die Gefahren des Rucksacktourismus. „Sie sagte zu mir: ‚Tschüß, Schatz! Genieß deinen Trip. Hier ist ein Artikel, der vielleicht nützlich sein könnte, damit du nicht vergewaltigt wirst.‘ Ich antwortete dann: ‚Danke, Mama! Bis bald.‘“ Aber glaubt sie, dass sich die Dinge ein Jahr später gebessert haben? „Definitiv.“ Inwiefern? „Insofern, dass Leute gelernt haben, das Problem anzuerkennen und nein zu sagen. Oder es sogar als Problem zu bezeichnen. Ich habe das schon einmal gesagt, aber bis zur #MeToo-Bewegung wusste ich nicht, was sexuelle Belästigung umfasste. Ich bin in meinen späten Zwanzigern, ich hatte eine gute Ausbildung, ich bin weltoffen, ich reise und habe mein eigenes Unternehmen – trotzdem wusste ich es nicht. Das ist verrückt.“ Sicherlich war ihr bewusst, wann eine Grenze überschritten wurde. Aber ich denke, dass sie einen Unterschied zwischen Einschüchterung und tatsächlichem körperlichem Angriff macht. „Ich wusste nicht, dass man sagen kann ‚Ich wurde sexuell belästigt‘, ohne dass man angefasst wurde. Ich wusste nicht, dass man sich dagegen wehren kann. Ich war ahnungslos und weiß es jetzt, weil ich recherchiert habe; welche Auswirkungen es auf den Job und die Bezahlung haben kann.“ Mehr möchte sie dazu nicht sagen.
Am Tag unseres Treffens gibt es Nachrichten, dass Robbie im Gespräch für eine Verfilmung von Barbie sei. Wirklich? „Oh ja, das“, sagt sie. „Das sollte noch nicht angekündigt werden. Es ist noch in Arbeit und hoffentlich wird bald alles zusammenkommen.“ Und wenn sie dazu ein Statement abgeben müsste? „Es wäre so etwas Langweiliges wie: ‚Ich freue mich auf eine mögliche Partnerschaft mit [dem Spielzeughersteller] Mattel.‘“ Ich frage mich, wie sich dieses Projekt mit ihrem Mantra verhält. Es scheint eine seltsame Wahl zu sein, aber sie ist auch nicht dumm. Sie tut es also entweder aus kommerziellen Gründen oder vielleicht gefällt ihr einfach der Gedanke, Barbie zu sein.
Bevor sie geht, frage ich sie nach den Dreharbeiten zu dieser Szene in The Wolf of Wall Street. Sie lacht. „Es wirkt nicht so, wenn man sich den Film anschaut, aber in Wirklichkeit waren wir in einem kleinen Schlafzimmer mit 30 Leuten.“ Hauptsächlich Männer? „Nur Männer. Und 17 Stunden musste ich so tun, als würde ich mich selbst anfassen. Es ist sehr seltsam und man muss die Peinlichkeit und Absurdität der Sache tief verstecken. Man muss wirklich bemüht und engagiert sein.“ Und niemand kann behaupten, dass sie nicht genau das getan hat.
Der Timer auf ihrem Handy klingelt und sie geht, wie zu ihrer Ankunft, in Eile. Sie entschuldigt sich wieder. „Es tut mir nochmals leid“, sagt sie, als sie ihre kleine braune Tasche in Zylinder-Form vom Boden nimmt. „Unser Gespräch war sehr einseitig. Hoffentlich sehen wir uns wieder und wir können etwas besser plaudern.“ Und damit verschwindet eine der lukrativsten und sympathischsten Stars Hollywoods in der Menge, bevor ich das, was Margot Robbie nicht von meinem Frühstück angerührt hat, aufesse.
Maria Stuart, Königin von Schottland kommt am 17. Januar 2019 in die deutschen Kinos
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