Designer-Update: Dänischer Stil neu interpretiert
Skandinavischer Noir, hygge und die Kultmarke Hay – dänische Dinge und Konzepte stehen seit einigen Jahren hoch im Kurs, und das gilt selbstverständlich auch für dänischen Stil. Wer aber glaubt, mit etwas experimentellem Minimalismus ließe sich der beneidenswerte Look ganz einfach rekonstruieren, der lasse sich eines Besseren belehren. Eine Reihe von Designerinnen zeihen dank des liberalen Gebrauchs von Farben, Proportionen und relaxten Konzepten skandinavischen Stil von einer völlig neuen Seite…
DITTE REFFSTRUP OF GANNI
Seit Ditte Reffstrup und ihr Mann Nicolaj 2009 gemeinsam die Leitung des dänischen Stricklabels Ganni übernahmen – sie als Kreativdirektorin, er als Chief Executive – ist aus dem einst ruhenden Unternehmen ein globales Powerhaus geworden, das für seine exzentrische Ästhetik bekannt ist.
„Kopenhagen ist und bleibt ein integraler Bestandteil von Ganni. Dort schlägt mein Herz, und ich schöpfe ungeheuer viel Inspiration aus der Stadt und den Menschen. Als ich bei Ganni einstieg, konnte man dänisches Design noch in zwei Schubladen stecken, Boho-Look und androgyner Minimalismus. Wir wollten unsere eigene Vision umsetzen, ,Scandi 2.0‘, mit selbstbewusster, sorgloser Ästhetik. Ganni-Frauen sollen ihren eigenen Stil zum Ausdruck bringen können, intuitiv und ohne zu viel nachzudenken. Und sie sollen vor allem Spaß daran haben.
SOPHIE BILLE BRAHE
Vor neun Jahren gründete Schmuckdesignerin Sophie Bille Brahe ihr gleichnamiges Label. Seitdem hat sie die Branche mit ihren verspielten und doch edlen Schmuckstücken, inspiriert vom Kosmos, vom Alten Ägypten und von japanischer Mythologie, ziemlich aufgemischt.
„Ich hatte nie die Absicht, Schmuck mit einer skandinavischen Ästhetik zu entwerfen, aber da liegen nun mal meine Wurzeln, deshalb fließt es immer wieder mit ein. Einer meiner Vorfahren aus dem 16. Jahrhundert war der Astronom Tycho Brahe, der die Kassiopeia entdeckte. Während ich mich mehr mit ihm beschäftigte, begann der Himmel eine immer größer werdende Faszination auf mich auszuüben. Der Himmel über Dänemark hat seine ganz eigene Farbpalette mit außergewöhnlichen Blau- und Grautönen, die es nirgendwo sonst auf der Welt gibt. Diese klaren Farben sind es, die meine Arbeit maßgeblich beeinflussen und ihr eine gewisse Simplizität geben. Ich habe schon als kleines Mädchen gerne mit den Händen gearbeitet. Die Arbeit als Schmuckdesignerin ist die perfekte Mischung aus Fashion, Kunst und Handwerk. Ich lasse mich von Dingen inspirieren, die mir gefallen. Das kann ein Kunstwerk sein, das Meer… Meine Frühjahr/Sommer-Kollektion 2020 ist eine Hommage an Venedig. Die Stadt bedeutet mir sehr viel. Ich liebe die zitronenförmigen, mit Süßwasserperlen besetzten „Venezia“-Ohrringe, sie erinnern mich an warme Sommer in Italien. Ich verwende auch Murano-Glas – wir arbeiten mit einigen der letzten Glasbläser der Region zusammen. Es ist schön zu sehen, wie unterschiedlich Frauen meinen Schmuck stylen. Ich möchte Teil ihres Alltags sein, sie sollen sich in ihrer Haut wohlfühlen, selbstbewusst und elegant auftreten können. Meiner Meinung nach sollte man seinen Schmuck jeden Tag und nicht nur zu besonderen Anlässen tragen. Ich kombiniere gerne ein schlichtes T-Shirt mit diamantenen Ohrringen oder einer Perlenkette.“
ROTATE BIRGER CHRISTENSEN
Erst im Jahr 2018 gründeten die besten Freundinnen, einstigen Kolleginnen und jetzt Co-Designerinnen Thora Valdimars und Jeanette Friis Madsen ihr eigenes Label Rotate. In dieser kurzen Zeit sind ihre ungezwungenen und doch extrovertierten Designs zu absoluten Favoriten der globalen Streetstyle-Szene geworden.
„Wir betonen gerne, dass wir Frauen sind, die Designs für Frauen entwerfen. Wie alle haben auch wir Tage, an denen wir im Mittelpunkt stehen wollen, und andere, an denen wir lieber nur mitlaufen wollen. Als Moderedakteurinnen haben wir unser ganzes Erwachsenenleben lang mit Kleidungsstücken und mit dem weiblichen Körper gearbeitet. Wir wissen, welche Silhouetten, Säume, Materialien und Schnitte einer Figur schmeicheln, und wir entwerfen nur Designs, die wir auch selber tragen würden. Wir haben unsere Jobs gekündigt und Rotate gegründet, weil wir bereit für eine Veränderung waren.
Die Arbeit hat uns nicht erfüllt, und wir haben den Traum vom eigenen Label einfach nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Jetzt, wo wir gemeinsam designen, fühlen wir uns endlich angekommen. Wir sind keine gelernten Designerinnen, aber eigentlich ist das eher befreiend. So können wir unsere eigenen Regeln aufstellen. Wir lassen uns von verschiedenen Dingen inspirieren. Zurzeit beschäftigen wir uns viel mit dem goldenen Zeitalter Hollywoods. Wir wollten unsere Ästhetik voranbringen, sie reifen lassen, aber gleichzeitig wollten wir die Verspieltheit beibehalten, für die man uns kennt. Skandinavischer Stil bedeutet für uns, dass man die Freiheit hat, sich so zu zeigen, wie man möchte. Skandinavische Frauen sind stark und mutig. Und das wollen wir mit unseren Kollektionen zum Ausdruck bringen.“
„Wir wollten unsere Ästhetik voranbringen, sie reifen lassen, aber gleichzeitig wollten wir die Verspieltheit beibehalten, für die man uns kennt. Skandinavischer Stil bedeutet für uns, dass man die Freiheit hat, sich so zu zeigen, wie man möchte. Skandinavische Frauen sind stark und mutig. Und das wollen wir mit unseren Kollektionen zum Ausdruck bringen
“
CECILIE BAHNSEN
Sie war Finalistin für den LVMH-Preis und Gewinnerin des DANSK Design Talent Award 2016 – obwohl Cecilie Bahnsen ihr gleichnamiges Label erst vor sechs Jahren gegründet hat, haben sie und ihre bezaubernden Kleider bereits absoluten Kultstatus erreicht.
„Ich wollte bereits mit 12 Jahren Modedesignerin werden. Ich hatte gerade ein Praktikum an der Danish Design School absolviert und war völlig fasziniert von der Erfahrung. Niemand konnte mich mehr davon abbringen. Mein Traum war es, mein eigenes Label in Kopenhagen zu gründen, mit einer feminineren Interpretation skandinavischen Stils. Dänemark ist bekannt für zeitlose Architektur, Möbel und Handwerkskunst – ich wollte etwas Ähnliches für Mode schaffen. Designs, die Frauen jeden Tag tragen, aber auch an ihre Töchter weitergeben können. Meine Kleider sehen edel aus, aber sie sollen auch getragen werden. Und sie lassen den nötigen Raum, damit auch die Persönlichkeit der Trägerin zum Ausdruck kommen kann. Ich mag die Vorstellung von einem floralen Ballkleid zu schlichten Sneakers.
Meine Inspiration ändert sich nicht jede Saison. Vom allerersten Tag an hatte ich eine klare Vorstellung davon, wofür meine Marke stehen sollte. Mir liegt etwas daran, eine Community und ein Universum um mein Label herum zu schaffen, und das verfolge ich mit jeder neuen Kollektion. Vor der Gründung meines Labels habe ich mit John Galliano in Paris gearbeitet, daher rührt wohl auch mein Sinn für Romantik. Er hat mir beigebracht, dass man Dinge immer noch verbessern und voranbringen kann. Es war ein unglaubliches Gefühl, als die Models bei meiner ersten Show auf der Copenhagen Fashion Week in meinen eigenen Designs über den Laufsteg liefen. Das hat mich gelehrt, dass man mit harter Arbeit alles erreichen kann.“
STINE GOYA
Designerin Stine Goya will es allen zeigen. Nämlich, dass dänischer Stil mehr ist als Minimalismus. Zu diesem Zweck gründete das frühere Model im Jahr 2006 ihr eigenes Label Goya, und beweist seither mit ihren verspielten Designs und handgemalten Prints, dass es auch anders geht.
„Dänischer Stil wird total missverstanden. Er wird oft mit Minimalismus gleichgesetzt, ist aber eigentlich viel anspruchsvoller und durchdachter. Hier fahren alle mit dem Fahrrad, deshalb ist Bequemlichkeit natürlich wichtig, aber bei uns gibt es immer auch eine verspielte Note. Schon seitdem ich ein kleines Mädchen bin, nähe ich meine eigenen knallbunten Designs. Mein Ansporn? Zu wissen, dass Mode eine Möglichkeit ist, das eigene Ich zum Ausdruck zu bringen. Es mag albern klingen, immerhin habe ich nun schon seit zwölf Jahren ein eigenes Label, aber mein Herz schmilzt immer noch dahin und es macht mich extrem glücklich, wenn ich Frauen in meinen Designs sehe.
Die Inspiration für meine Kollektionen hole ich mir aus so ziemlich allem. Mich inspirieren Filme, Literatur, Einrichtungskonzepte, Künstler… Sämtliche Designs werden bei uns im Haus entworfen und bemalt, so haben sie immer auch etwas Persönliches. Auch der Nachhaltigkeitsgedanke spielt für uns eine immer größere Rolle und ich freue mich über die Fortschritte, die wir in dieser Hinsicht im letzten Jahr gemacht haben. Alle Show-Pieces für die Frühjahr/Sommer-Kollektion waren zu 100 Prozent nachhaltig, und wir haben eine wunderschöne nachhaltige Capsule-Kollektion für NET-A-PORTER entworfen. Vor uns liegt immer noch ein weiter Weg, aber wir geben unser Bestes. Dänische Mode hat in den vergangenen Jahren jede Menge positive Aufmerksamkeit erhalten. Die ausländische Presse und die Einkäufer zeigen großes Interesse an dem, was wir tun. Das liegt glaube ich zum Teil daran, dass Kopenhagen eine so einladende Stadt ist. Die Besucher lassen sich vom guten Essen, der Musikszene und dem gesamten Lifestyle mitreißen.“